Künstliche Intelligenz (KI) ist in vielen Bereichen auf dem Vormarsch. Zahlreiche Tätigkeitsprofile werden sich durch den Einsatz dieser Technologie verändern. Mancher Beruf wird womöglich sogar überflüssig werden. Derzeit ergreift diese Sorge auch viele Ärzte, die ihre Existenz am seidenen Faden hängen sehen. Denn beispielsweise können nach Meinung der Fachgesellschaft der US-amerikanischen Radiologen Computer in Zukunft einfach vieles besser als Menschen, wie zum Beispiel gefährliche Tumoren und Lungenentzündungen oder schwarzen Hautkrebs erkennen. Künstliche Intelligenz kann gutartige von bösartigen Melanomen unterscheiden. Die Furcht vor dem Existenzverlust wird also aus den eigenen Fachkreisen genährt, besonders die Radiologen scheinen davon betroffen zu sein.

Ist KI nun mehr eine Assistenz für den Arzt oder mehr Konkurrenz? Wer diagnostiziert am Ende besser? Das sind Fragen, die sich viele Ärzte stellen.

KI stellt zuverlässige Diagnosen

Wenn es um die Diagnose von Krankheiten geht, kann sich die Künstliche Intelligenz durchaus mit einer Ärztin oder einem Arzt auf Augenhöhe messen. Eine erste Meta-Analyse einiger Studien konnte kürzlich die hohe Trefferquote von Künstlicher Intelligenz bei der Diagnosestellung nachweisen. Um diese Ergebnisse zu erhalten, wurden mehr als 20.000 wissenschaftliche Beiträge zur KI-basierten Diagnostik zwischen den Jahren 2012 und 2019 identifiziert und analysiert. Davon waren jedoch nur 14 Studien relevant, um einen Vergleich zwischen KI und der Ärzteschaft herzustellen.

Das Ergebnis lässt staunen: In den 14 Studien konnte die KI 87 Prozent aller Krankheiten korrekt erkennen. Die Ärzte lagen mit 86 Prozent ganz knapp dahinter. Im umgekehrten Fall hat die Künstliche Intelligenz in 93 Prozent der Fälle eine Krankheit richtig ausschließen können. Das schafften knapp 91 Prozent der Ärzte. Diagnostisch gibt es demnach kaum nennenswerte Unterschiede, doch es ist beachtlich, wie oft die KI bereits bei der Diagnosestellung richtig lag. Es gelang jedoch nicht, zu belegen, dass KI besser diagnostizieren kann als Ärztinnen und Ärzte.

Um die Leistungen von KI noch gründlicher bewerten zu können, wäre es notwendig, eine bessere Studienlage zu schaffen.

Synergien erzeugen für noch bessere Ergebnisse

Zweifelsohne ist zu erwarten, dass der Branche durch diese Technik viele Umbrüche bevorstehen. Doch KI muss nicht in Existenzängsten münden, sondern kann vielmehr eine Unterstützung für die Mediziner sein. Derzeit ist es bereits so, dass sie eine große Hilfe ist, wenn es darum geht, Gesundheitsdaten zu verarbeiten, Diagnosen zu verbessern und zwischen Therapien abzuwägen. Das Gesundheitssystem in Deutschland kann enorm von diesen Innovationen profitieren.

Sind Ärzte deshalb bei der Diagnosestellung überflüssig? Nein! Denn was ist, wenn der selbstlernende Algorithmus sich nicht als ganz perfekt erweist und deshalb auch keine perfekten Ergebnisse liefern kann? Wenn ein Fehler im Lernsystem sich auf die gesamte Leistung der Künstlichen Intelligenz auswirkt und somit vielen Menschen mehr schaden als nutzen kann? In diesem Fall ist es eine deutlich sinnvollere Lösung, beide, sowohl Ärzte als auch KI, zur Diagnosestellung einzusetzen, um effektive Synergien zu erzeugen. Die endgültige Therapie sollte jedoch noch immer von der Entscheidung der Ärztin bzw. des Arztes abhängen, denn diese/-r kann die gewonnenen Daten patientenindividuell bewerten.

Für das Gesundheitssystem ist es daher wichtig, exakt zu definieren, welche Technologie im Interesse der Patientinnen und Patienten ist und wie sie eingesetzt werden soll. Natürlich spielen dabei auch ethische Fragen eine wichtige Rolle, doch das ist die Grundlage für zahlreiche weitere Diskussionen, die dieses Thema betreffen.