Immer mehr Investoren kaufen Zahnarztpraxen auf und bilden Großpraxen und Ketten. Beim Zahnarzt jedes Mal von einem anderen Arzt oder einer anderen Ärztin behandelt werden? Deutsche legen Wert auf Vertrauen und eine langfristige Betreuung. In den skandinavischen Ländern, den Niederlanden und Großbritannien sind diese Praxis-Großkonzerne dagegen bereits normal.

Laut „Der Spiegel“ besitzt die DentConnect-Gruppe aus den Niederlanden, die zu EQT gehört, etwa 220 Zahnarztpraxen in fünf Ländern mit 850 ZahnärztInnen. Und die Colosseum Dental Group weist sogar 230 Kliniken in sieben Ländern mit rund 1000 ZahnärztInnen auf. Diese riesigen Zusammenschlüsse sollen nun auch in Deutschland umgesetzt werden. Die Zinsen sind derzeit niedrig, und Geld wird nun intensiver in Branchen wie unter anderem der Zahnmedizin angelegt. Deutschland gehört europaweit zum größten Markt in der Branche. Zahnarztpraxen erwirtschaften jährlich 26 Milliarden Euro Gesamtumsatz, wie die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) im Jahr 2015 feststellte.

Warum deutsche Zahnärzte und Zahnärztinnen verkaufen

Ob es auch in Deutschland zu großen Zusammenschlüssen kommen wird, hängt nicht nur von den Zahnärzten ab. Die haben es aktuell nicht leicht: Zu Beginn der Corona-Krise haben viele Menschen Termine aufgeschoben, und Praxen mussten Umsatzrückgänge verzeichnen. Viele hatten nur die Möglichkeit zu verkaufen, um nicht Schulden anzuhäufen.

Zudem haben selbstständige ZahnärztInnen Schwierigkeiten, NachfolgerInnen zu finden. Und dabei ist in Deutschland laut dem Handelsblatt jeder dritte Zahnarzt über 56 Jahre und damit in der Situation, an die Nachfolge respektive Praxisübernahme denken zu müssen. Doch junge ÄrztInnen arbeiten lieber als Angestellte und umgehen damit etwa Investitionskosten für neue Geräte und Digitalisierung. Viele Praxen kümmern sich nicht um eine Webseite, was in Zeiten des Internets als fortschrittsfremd gedeutet werden kann. Etwa würden 73 Prozent der Menschen würden Arzttermine gern online buchen und 60 Prozent würden gern daran erinnert werden. Sich mit SEO und Online Marketing für Ärzte zu beschäftigen, finden viele nachrückende ZahnärztInnen nicht einladend. Zudem wird heute mehr Wert auf eine gute Balance zwischen Beruf und Familie gelegt. Für Angestellte ist das viel leichter zu vereinbaren als für Selbstständige. Selbstständigen ÄrztInnen, die in Rente gehen und keinen Nachfolger finden, bleibt dann nur die Option, an eine Investitionsgruppe zu verkaufen.

Was ÄrztInnen und PatientInnen erwartet

Für Ärzte und Ärztinnen sind die Großpraxen keine schlechte Wahl. Sie werden entlastet, was Betriebsführung, Einkauf und Marketing betrifft, und auch um die Patientengewinnung müssen sie sich nicht kümmern. Zudem können ZahnärztInnen gemeinsame Fortbildungen besuchen und sich gegenseitig fachlich beraten, was dann selbstverständlich auch ihren PatientInnen zugutekommt. Diese profitieren zusätzlich von einer besseren Ausstattung für ihre Behandlung und flexibleren Öffnungszeiten.

Die KZBV und die Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen (BAGP) bleiben skeptisch und deuten dabei zum Vergleich auf den Krankenhausmarkt. Gregor Bornes, Sprecher der BAGP, meint dazu, dass diese Art der Praxiszusammenschlüsse nicht automatisch mehr Qualität, sondern eher Quantität bedeutet. Investorinnen und Investoren sind dagegen zuversichtlich und planen bereits einen medizinischen Beirat, eine eigene Qualitätssicherung und ein eigenes Fortbildungsinstitut.